everyday is like sunday
Sonntag, 28. Februar 2016
Dienstag, 23. Februar 2016
Sonntag, 21. Februar 2016
Sonntag, 14. Februar 2016
zweihundertfuenfundachtzig (Ich war dann mal hier)
Der Ort um den es geht, ist ein
bewegter, er wird von müden Menschen gemacht. Schon im Moment seiner Entstehung
löst er sich ganz vorne wieder auf. Ein fragiles Gebilde. Ein emotionaler
Brennpunkt. Smalltalk ist hier möglich, Frieren und Drängeln, Lächeln und böse
Blicke. Sogar Liebe soll sich hier schon angebahnt haben. Natürlich nur für
den, der gänzlich hier war und nicht mit einem Ohr am Telefon hing, während er
nach Kleingeld kramte.
Es ist ein Ort der Eile und Weile,
je nachdem, wer auf der anderen Seite steht. Dort entscheidet sich alles. Wird
der Tag gelingen? Fehlt mal wieder etwas zum großen Glück?
Hat es sich am Ende gelohnt
herzukommen?
Am häufigsten und ausführlichsten
entsteht der Ort am Sonntagmorgen. Wenn sich die Müdigkeiten reihen und die
Hinterköpfe ungekämmt sind. Oft tritt man sich versehentlich auf die Füße. Es
riecht nach frischem Deo auf Schweiß, fruchtigem Duschgel, Vorfreude und
Ungeduld. Die Rede ist von einem
Ort des Grübelns, des Perfekt zwei und der tausend Möglichkeiten: Der
Bäckerschlange.
„Ich hätte gern vier
Kürbiskernbrötchen gehabt“, sagt die Dame mittleren Alters im Fitnessdress, so
als ob sie mit der doppelten Vergangenheit ihres Satzes konjunktivisch
ausschließen wollte, dass Kürbiskernbrötchen bereits aus sind. Sie hat Glück.
Die Brötchen werden eingetütet. Es ist kurz vor halb zehn. Normalerweise ist
sie früher dran. Aber sie hatte vergessen die Butter aus dem Kühlschrank zu nehmen
und musste noch mal kurz zurück.
„Hoffentlich deckt Hans den Frühstückstisch“, denkt sie, bestellt noch zwei Sesam und zwei Mohnknoten und ein Laugenbrötchen. „Und warten sie, noch ein Dinkel-Karotten-Weckle und ein Buttercroissant“.
„Hoffentlich deckt Hans den Frühstückstisch“, denkt sie, bestellt noch zwei Sesam und zwei Mohnknoten und ein Laugenbrötchen. „Und warten sie, noch ein Dinkel-Karotten-Weckle und ein Buttercroissant“.
Bange Blicke jetzt von hinten,
der Laugenbrötchenstapel schwindet von Minute zu Minute. Bis aus der Backstube
zwei Bleche frische Brötchen nach vorn getragen werden – Puh! Ein erleichtertes
Raunen auch von ganz hinten, wo eine junge Frau auf Zehenspitzen die Theke zu
überblicken versucht.
„Sind die noch warm?“, fragt der
Mann ganz vorn mit Kind auf dem
Arm. Die Verkäuferin nickt. „Dann bitte fünf Stück, und einen Moment“, er
blickt zum etwa vierjährigen Mädchen „Was möchtest du gern, Marie, eine Seele
oder eine Brezel oder lieber etwas Süßes, ein Rosinenbrötchen vielleicht oder
ein Schokocroissant?“ Das Mädchen reibt sich die Augen, zeigt vage in
irgendeine Richtung. Die Verkäuferin blickt nervös auf die Schlange, die jetzt
schon bis zur Straße geht. Autos parken quer. Ein struppiger Hund bellt.
„Marie, Mama wartet zuhause auf uns, jetzt sag, was du gern möchtest.“ Marie
fängt an zu heulen. Der Mann lächelt entschuldigend „und noch zwei Brezeln“.
Die Bäckerschlange ist ein Ort
geballter Gegenwart und zugleich auch Abwesenheit. Viele Wartende stehen hier
stellvertretend für die hungrigen Daheimgebliebenen. Von denen sie losgeschickt
wurden mit einer Liste. Während es in der Schlange rund geht liegen sie im
warmen Bett und drehen sich noch mal um. Andere kochen zuhause schon Kaffee und
Eier, öffnen Marmeladengläser und drehen das Radio auf.
„Wo bleibt er bloß“, fragt sich die
Studentin, die ihren neuen Freund zum Brötchenholen schickte. Der verabredet
sich im selben Moment im Epizentrum der Bäckerschlange mit einem Bekannten, der
zufällig vor ihm steht, zum gemeinsamen Fußballschauen am Nachmittag. Die
beiden Jungs lassen sogar einen älteren Herrn vor, so beschäftigt sind sie mit
ihren Planungen. Das Frühstück der Studentin und ihres neuen Freundes wird mit
einem Knatsch aufgrund unterschiedlicher Sonntagserwartungen enden, aber das
wissen sie zum Glück noch nicht.
„Gehören sie
zusammen?“ Die Verkäuferin macht währenddessen aus zwei Kunden ein Paar, die gar keins sind. Die beiden schauen sich kurz an, schütteln dann entschieden den
Kopf und geben einander umständlich den Vortritt, was das Weitergehen noch mehr
verzögert.
Die Verkäuferin tütet weiter Weckle und Hörnchen, Stangen und
Schnecken und Schnitten ein und sehnt sich im Stillen den Feierabend herbei,
während sie Brötchentüten über den Tresen reicht und den Kunden „einen schönen
Tag“, „ein schönes Frühstück“, „vielen Dank und auf Wiedersehen“ hinterher
ruft, mal das eine und mal das andere, mal zu früh und mal zu spät, sie hat das mit dem Timing nicht so richtig raus. Manche Kunden hören es gar nicht mehr. Wie mit Trophäen entschwinden sie mit ihren Tüten durch die automatische Schiebetür, die offen steht, an der Schlange vorbei, hinaus in den Sonntag.
Erschienen in: Schwäbisches Tagblatt, Ich war dann mal hier (8), 15.02.2016
Erschienen in: Schwäbisches Tagblatt, Ich war dann mal hier (8), 15.02.2016
Sonntag, 7. Februar 2016
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