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Samstag, 8. September 2012

fester boden

Die Brötchentüte, Symbol für täglich wiederkehrenden Hunger und Hoffnung, wird abwechselnd von Marko (Lars Eidinger) und Jakob (Sebastian Zimmler) über die elterliche Türschwelle getragen, transportiert möchte man fast sagen. Mutter Gitte (Corinna Harfouch), die sie abwechselnd beim Vornamen und "Mama" rufen, es wird viel gerufen, steht in der Küche, schiebt Möhren in die Saftpresse. 
Markos kleiner Sohn Zowie hilft. 
Er trägt meistens eine Tigermaske. 
Die Masken der Erwachsenen sind unsichtbare.

Dass sie seit zwei Monaten ohne Medikamente auskommt verkündet Gitte im Kreis der Familie. 60, also gut hundert Jahre sei sie mit ihrem Mann Günter (Ernst Stötzner) verheiratet, ihre Depression und sie feierten inzwischen 30-jähriges. 

Nun, da die Söhne festen Boden unter den Füßen haben (denkt sie) möchte sie genau diesen Boden selbst spüren. Möchte selbst auch etwas wagen, nachdem Günter den Verlag abgegeben hat. Sie wirkt bei sich angekommen, souverän und doch verunsichert. (Man könnte sich diese Gitte kaum von einer anderen Schauspielerin als von Corinna Harfouch gespielt vorstellen.)

Für die Familie, vor allem für Günter und Jakob ist sie eine Zeitbombe. Wie viel kann man ihr zumuten? 

Jeder trägt ein Geheimnis mit sich herum. 
Gitte weiß noch nicht, dass Marko getrennt von Zowies Mutter lebt. Auch nicht, dass Jakobs Zahnarztpraxis kurz vor der Pleite steht. 

Hans-Christian Schmids "Was bleibt" macht die Übergänge von Außen und Innen sichtbar, von Draußen und Drinnen, mal scheinen sie unüberwindlich, dann wieder fließend. Die Familie ist sich nah, zum Beispiel beim Fußballspielen im Garten, trotzdem ist jeder auf seine Art eine Black Box. Jedes Wort ist gefährlich.
Ein Film wie ein Kippmoment. "Du läßt dich gehn'" singen Gitte und Günter, Marko spielt dazu Klavier. Die familiäre Interpretation des Chansons von Charles Aznavour versinnbildlicht ihr Dilemma. Dass da Spuren von Glück sind und immer waren, es ist eigentlich alles da. Dann im nächsten Moment zerspringt ein Glas. 

(Heimliche) Hauptfigur des Films ist Marko, großartig gespielt von Lars Eidinger. Er lebt längst nicht mehr im selben Ort wie die Eltern und sein Bruder. Er wollte eigentlich nur ein ruhiges Wochenende verbringen "Kein Bock auf das Theater. Ausschlafen, futtern, gut is." Sagt er zumindest. 

Weil da räumliche Distanz zwischen ihm und den Eltern ist, kann er direkter handeln als sein Bruder Jakob. 
Marko macht den alten R4 wieder flott, mit dem Gitte eines Morgens wegfährt, zum Brötchen holen, hofft man als Zuschauer und natürlich weiß man's besser. 
Dann weiß man wieder gar nichts. 

"Was man liebt muss man loslassen und wenn's zurückkommt, dann bleibt's." 
Den Tisch hat Gitte noch gedeckt und Zowie aufs Sofa zu seinem Vater gelegt.

Die ästhetische Kraft der Bilder, die Musik von The Notwist empfindet man als tröstendes Gegengewicht zum unvermeidlichen Lauf der Dinge. 

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